Literatur der "Inneren Emigration" aus Österreich : Jahrbuch der Theodor Kramer Gesellschaft

Holzner, Johann, 1998
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Medienart Buch
ISBN 978-3-85115-242-5
Verfasser Holzner, Johann Wikipedia
Verfasser Müller, Karl Wikipedia
Systematik Pb - Literaturwissenschaft
Schlagworte Geschichte, Nationalsozialismus, Widerstand, Literatur, Österreich, Theater, 2. Weltkrieg, innere Emigration, Ostmark, Nachkriegszeit, Horváth, Ödön von, Thiess, Frank, Bronnen, Arnolt, Mitterer, Erika, Fontana, Oskar Maurus, Kubin, Alfred, Kleinmayr, Hugo von
Verlag Döcker
Ort Wien
Jahr 1998
Umfang 473 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe hrsg. von Johann Holzner u. Karl Müller. Mit Beitr. von Uwe Baur, Catarina Carsten, Murray Hall u.a.
Annotation Herr Karl als Innen-Emigrant / Ein Handbuch Vor einigen Jahren sprach Freya Gräfin Moltke auf der Frankfurter Buchmesse über den Kreisauer Kreis und den Juli 1944. Als sie Enge und Isoliertheit dieses Kreises bedauerte, erhob sich ein junger Journalist und stellte fest, man habe offensichtlich zu wenig Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Die grenzenlose Naivität dieses durchaus ernstgemeinten Urteils findet sich gelegentlich auch in diesem Band, wenn in der Definition des Begriffes der Inneren Emigration eine »erkennbare oppositionelle Haltung gegenüber dem NS-Regime« als Voraussetzung und als essentiell bezeichnet wird. Bei erkennbarer Opposition fackelte nämlich Minister Goebbels, Schirmherr der deutschen Literatur, nicht lange: Als Ernst Wiechert, Millionen bekannt, viel gelesen, hoch geachtet, keineswegs gegen das Regime schrieb, sondern lediglich der Familie eines inhaftierten Pastors finanziell beisprang, warteten Kerker und KZ auf ihn, und als der ebenfalls hochgeachtete, unzweifelhaft im nationalen Lager stehende Verfasser des Buches Volk ohne Raum auf dem Lippoldsberg durchaus honette Kollegen zu Tagungen versammelte, sagte ihm Goebbels, unter Anspielung auf den Fall Wiechert: »Herr Doktor Grimm, ich schicke Leute vier Monate ins Konzentrationslager. Wenn ich sie ein zweites Mal hineinschicke, kommen sie nicht mehr hinaus.« (Hans Grimm, Gedächtnisprotokoll, S. 3, zitiert nach Barbian u. a.) Häftlinge oder Hingerichtete können nicht mehr emigrieren, auch nicht nach innen; darum leidet der reiche und viele Facetten aufweisende Sammelband des Döcker-Verlages für jeden älteren Beurteiler unter einem Mangel an Phantasie, unter der Anwendung falscher Maßstäbe. Die Generation, die in ihm zu Wort kommt, hat den Zirkus um Biermann miterlebt, hat gelesen, wie ausführlich sich Manfred Krug mit hohen und höchsten DDR-Kulturbeamten über seine Emigration unterhalten konnte, und wieviel Freiheit Stephan Hermlin genoß, wenn er sich für Peter Huchel und andere einsetzte. Aber so war es 1933 bis 1945 eben nicht, trotz des milderen Lüftchens, das Baldur von Schirach in Wien wehen ließ. Wir besitzen in dem unübertroffenen, auch in der Darstellung ansprechenden Buch des Brecht-Biographen Werner Mittenzwei an die 600 Seiten über den »Einfluß der nationalkonservativen Dichter an der Preußischen Akademie der Künste« (so der Untertitel des Buches über den Untergang einer Akademie, Berlin, Aufbau-Verlag 1992). Hier erhalten wir den Nachweis darüber, daß auch Autoren, deren Grundeinstellung eine Emigration ins Ausland ausschloß und ein Arrangement mit Hitler denkbar erscheinen ließ, sehr bald in eine Existenz gezwungen wurden, die der Definition der Inneren Emigration entspricht: Sie waren weder rassisch noch durch frühere linke Engagements gefährdet; ihre Bücher waren nicht unter jenen, die verbrannt worden waren; sie figurierten mit ihren Texten in allen Lesebüchern und später in Frontausgaben – aber sie erkannten, der eine früher, der andere später, wohin das NS-Regime steuerte und welche Methoden es dabei anwandte. In Österreich hatte man fünf Jahre Zeit gehabt, diese Entwicklung zu verfolgen, aber statt daraus Nutzen zu ziehen (was freilich wenig geändert hätte), wählte man einen sehr österreichischen Weg, sich bessere Behandlung zu sichern, als sie den deutschen Kollegen zuteil wurde: Die österreichische Autorenschaft drängte, soweit nicht allzuviele jüdische Ahnen im Wege standen, zu den Futtertrögen des deutschen Buchmarktes, auf dem ja ein erheblicher Bedarf vor allem an leichterer Ware eingesetzt hatte. (Weil nämlich gut verkäufliche Vielschreiber wie Lion Feuchtwanger, Emil Ludwig, Julius Wolff, Georg Hermann u. a. nicht mehr verlegt werden durften.) Die Klagenfurter Professoren Amann und Aspetsberger haben dieses unwürdige Verhalten mit gnadenloser Akribie dokumentiert (insbesondere Klaus Amann in den Listen von Zahltag, 2. Aufl., Bodenheim 1996), ein Wettlauf in den Bund deutscher Schriftsteller Österreichs, an dem sich mit dem Stichjahr 1936 von bekannteren Autoren nur Richard Billinger, Gertrud Fussenegger, Friedrich von Gagern, Karl Schönherr und Ines Widmann nicht beteiligten. In der gleichen Phase versuchten namhafte deutsche Autoren noch immer, auf Funktionäre von einigem Niveau wie etwa den Reichsminister Rust einzuwirken, oder aber über gut plazierte Kollegen wie Hans Friedrich Blunck oder Hanns Johst die nationale Sache gegen Ungeist und Brutalität abzugrenzen. Es war ein Kampf, der – von Binding und Benn über Jünger und Börries von Münchhausen – für die beteiligten Literaten immer gefährlicher und schließlich aussichtslos wurde. Dabei ist festzuhalten, daß sich auch Dichter, die dem NS-Parnaß zuzurechnen sind – Beumelburg, Kolbenheyer, Hermann Claudius – keineswegs von den Bemühungen der nationalkonservativen Elite distanzierten und andererseits ein Hans Carossa, um die bewahrenden und humanitären Tendenzen zu verstärken, die Präsidentschaft eines Europäischen Schriftstellerverbandes akzeptierte, gewiß ein Grenzfall, bei dem von Innerer Emigration zu sprechen schwer fällt, der aber einlädt, sich die damalige Situation geistig Schaffender in Deutschland und Österreich vor Augen zu führen: Die im Lande gebliebenen Autoren hatten eine kleine Chance, da Goebbels der Weltmeinung entgegenwirken und darlegen wollte, die Emigranten seien zwar zahlreich, aber literarisch ein nicht sonderlich zählender Teil der deutsch Schreibenden. Zu diesem Zweck wurde sogar mit den knappen deutschen Devisen eine US-Ausgabe von Hans Grimms Volk ohne Raum veranstaltet. Das war Chance und Risiko der Inneren Emigration: die Chance, weiter zu publizieren und mit einer gewissen Vorsicht (in der sogenannten verdeckten Schreibweise und mit der Schere im Kopf) dem Metier und den eigenen Lesern treubleiben zu können, aber mit dem Risiko, im großen Betrieb des gleichgeschalteten Verlagswesens, in öffentlichen Bibliotheken und Feldpostausgaben gut verdienend vereinnahmt zu werden. Schriftsteller mit Großauflagen wie Jelusich oder Spunda, die auf allen Vorschlagslisten für Lesungen, in allen Anthologien und natürlich in dem berüchtigten Bekenntnisbuch für den Führer aus dem Jahr 1938 figurieren, werden sich nach 1945, von einer der beiden österreichischen Großparteien vorbehaltslos unterstützt, in eine Innere Emigration einzureihen versuchen, die es im Wortsinn in Österreich nur in ein paar Gehirnen gegeben hat, nie in einer Gruppe, nie als Bewegung. Der bürgerliche Intellektuelle unserer kleinen Restnation hat viel von Hofmannsthals Schwierigem, aber wenig von Michael Kohlhaas und schon gar nichts von Quirinus Kuhlmann. Wenn ein Grandseigneur wie Werner Riemerschmid oder eine Ingeborg Teuffenbach den Bund deutscher Schriftsteller Österreichs ignorierten, wenn Anton Graf Bossi-Fredrigotti, Franz Nabl oder Hans Watzlik dem Bekenntnisbuch keinen Beitrag schickten, so müssen wir darin das Maximum dessen erblicken, was das seiner intellektuellen marxistischen Stoßtrupps beraubte Österreich in dieser Weltstunde zu leisten vermochte, wobei man fairerweise die Selbstmorde eines Guido Zernatto, eines Fritz Grünbaum, eines Stefan Zweig über die individuelle Verzweiflung hinaus auch als Protestaktion werten muß. Vom übrigen, und es ist Stückwerk, hat dieser verdienstliche Band Zeugnis gegeben: In einem methodisch bestechenden Beitrag des Duisburgers Uwe Baur über den Grazer Germanisten Hugo von Kleinmayr, über deutsche Dauerthemen wie Arnolt Bronnen, Ödön von Horváth und Frank Thieß, über verdiente Ausgrabungen von Autoren wie Erika Mittere 137f r, Alma Johanna Koenig und Albert Paris Gütersloh. Überflüssig war in diesem Rahmen gleich zweimal Lernet-Holenia, ihn kennt man inzwischen doch zu gut, überfällig war die Entlarvung des Literaturpapstes Oskar Maurus Fontana, zu der leider das Pendant Rudolf Henz fehlt, dessen Anbiederungen selbst den Nazis zu peinlich waren. Die große Lücke des Bandes bleibt Heimito von Doderer, mit Nabl, Tumler und Weinheber eine der wenigen literarisch unumstrittenen Größen dieser wirren Jahre, mit mehr Temperament und Originalität als der stille Nabl, weniger gezügelt, aber interessanter in seiner Vielschichtigkeit als Tumler. Aus ihm hätte sich ein Bild des österreichischen Dichters in den Chancen und Nöten der Inneren Emigration gewinnen lassen, das uns die ekelerregenden Kniefälle um den Nachkriegspersilschein vergessen machen könnte, wie sie uns die Kindermänner und Schreyvögel jener Ära vorexerzierten. Schließlich und zuguterletzt seien noch die drei Vorträge bzw. Aufsätze erwähnt, die sich mit der verdeckten Schreibweise unter autoritären Obrigkeiten und der Selbstzensur des Autors während der Niederschrift seiner Werke beschäftigen. Gegenstand der Untersuchungen sind bedeutende Autoren wie die Brüder Jünger, Jochen Klepper, Werner Bergengruen und Elisabeth Langgässer; der Österreich-Bezug ist hier nur durch Tumler gegeben, in dessen schmalem Werk ich nirgends Selbstzensur entdecken konnte, und durch den Salzburger Verleger Otto Müller, der mannhaft für die Dichterin Langgässer kämpfte. Es ist ein günstiger Umstand, daß die Autoren dieser Arbeiten sich auf literarisch zählende Autoren beschränkten, denn die Schere im Kopf setzt schließlich einen Kopf voraus, und der war bei Dutzenden von Mitläufern und ihrem vorauseilenden Gehorsam oft nicht sonderlich eindrucksvoll, ja es gab Jubel-Schreiber, die selbst der NS-Literaturpolitik lästig wurden. Im Grunde aber haben sich Möglichkeiten und Techniken der verdeckten Schreibweise seit Miguel Serveto nur insofern geändert, als derlei im Deutschen schwieriger ist als im Lateinischen. Liest man nach, was Grillparzer gelegentlich seines Stückes Ein treuer Diener seines Herrn mit Kaiser Ferdinand I. erlebte, dann mag man zu der Einsicht gelangen, daß auch in Österreich alles schon dagewesen sei, nur ungleich unterhaltsamer, ja in des Hofrats Grillparzer eigener unverdeckter Schreibweise geradezu zwerchfellerschütternd. Vermutlich ist unser Land, trotz Spielberg und Mauthausen, keine heroische Landschaft, oder doch nur gelegentlich. *LuK* Hermann Schreiber
Unselbstständige Werke Rotermund, Erwin - Vorüberlegungen zur Poetik, Rhetorik und Hermeneutik der "Verdeckten Schreibweise" im "Dritten Reich"
Ehrke-Rotermund, Heidrun - Pragmatisch-zeitgeschichtliche Aspekte der "Verdeckten Schreibweise" (Korreferat zum Vortrag von Erwin Rotermund)
Gradwohl-Schlacher, Karin - Innere Emigration in der "Ostmark"? Versuch einer Standortbestimmung
Orlowsik, Hubert - "Geboren neunzehnhunderttraurig". Generationsselbstbewußtsein und Innere Emigration
Michalak-Etzold, Magdalena - Zusammenspiel von Innerer Emigration und Innerer Zensur
Kaszynski, Stefan H. - Chiffrierter Widerstand oder Innere Emigration. Zu Alma Johanna Koenigs Roman "Der jugendliche Gott"
Rocek, Roman - Zwischen Subversion und Innerer Emigration. Alexander Lernet-Holenia und der Nationalsozialismus
Gottwald, Herwig - Erika Mitterer und der Historische Roman
Rupp, Sabine - Schreiben am Rande der Institutionen
Mitterbauer, Helga - Unruhe um einen Abseitigen. Alfred Kubin und der Nationalsozialismus
Stoll, Andrea - Zwischen Schweigen und Pathos. Die Folgen nationalsozialistischer Sprachkorrumption für die Literatur nach 1945
Hall, Murray G. - "Ich bitte um Nachsicht...". Innere Emigration privat
Schreckenberger, Helga - Die Rezeption der "Inneren Emigration" in den österreichischen Zeitschriften der Nachkriegszeit
Carsten, Catarina - Johannes Graf Moy: Innere Emigration als Lebenshaltung
Müller, Hans-Joachim - Äußere und Innere Emigration in der lateinamerikanischen Literatur am Beispiel des Romans "El recurso del metodo" (1974) von Alejo Carpentier oder Anticartesianismus für Cartesianer als subtile Kritik an Fidel Castro
Knes, Ulrik - Rank Thiess: Ein Autor zwischen Realität und Selbststilisierung
Scheit, Gerhard - Dramatik der Inneren Emigration oder "Nationale Verdauungs-Störungen". Über Arnolt Bronnens Stücke seit den dreißiger Jahren
Dassanowsky, Robert von - Österreich contra Ostmark: Alexander Lernet-Holenia´s "Mars im Widder" as Resistance Novel
Siebenhaar, Klaus - Eiszeit oder die Vertreibung aus dem Paradies. Verlusterfahrung, Einsamkeit, Isolation im Spätwerk Ödön von Horvaths
Thunecke, Jörg - Albert Paris Gütersloh und Innere Emigration: Das 9. Kapitel (Interludium) des Romans "Sonne und Mond" als politische Allegorie
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Roessler, Peter - Humanismus des Kompromisses? Oskar Maurus Fonatanas Theaterpublizistik
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